Warum Gründer:innen stärker in Kreisläufen denken sollten
Growth Alliance Networking Summit (GANS) - Keynote Teil 2
DATUM
05.03.2025
AUTHORIN
My-Linh Pham
KATEGORIE
News
Beim GANS 2024 spielten Nebenströme eine Hauptrolle! Ein zentraler Schwerpunkt des Tages war die Förderung der Kreislaufwirtschaft in der Agrar- und Ernährungsbranche sowie die intelligente Verwertung scheinbarer Abfallprodukte. Angesichts knapper werdender Rohstoffe ist es von entscheidender Bedeutung, Ressourcen effizienter und nachhaltiger zu nutzen. Expert:innen aus dem AgriFood-Sektor erläuterten, wie dies umgesetzt werden kann.
Im Frankfurter Kunstverein Familie Montez drehten die Speaker:innen die Wertschöpfungskette auf den Kopf. Sie boten faszinierende Einblicke in Ideen, die schon bald unser Leben verbessern könnten. Dr. Jan Grossarth von der Hochschule Biberach beleuchtete die Möglichkeiten von Stroh als Baumaterial, während Lewin Fricke von TRIQBRIQ demonstrierte, wie man mit Holzbausteinen intelligent Gebäude errichten und zurückbauen kann. In einem Panel diskutierten Annkathrin Wahbi von Rootcamp, Dr. Wilhelm Klümper von Agora Agrar und Dr. Petra Meyer-Ziegenfuß vom Hessischen Landwirtschaftsministerium über nötige Schritte zur Etablierung einer nachhaltigen und gleichzeitig profitablen Kreislaufwirtschaft in der Agrar- und Forstwirtschaft.
Einen inhaltlichen Vorgeschmack bieten diese drei Insights:
Stroh wird unterschätzt: Abfallprodukt? Von wegen. Lebenszyklusanalysen und ökologische Bilanzen zeigen, dass Stroh ein hervorragender Baustoff ist. Auch aufgrund der hohen Wärmespeicherkapazität sollte es viel öfter für diesen Zweck verwendet werden.
Kranke Hölzer nutzbar: Vier von fünf Bäumen in deutschen Wäldern sind krank. Doch auch angeschlagenes Holz kann wertvoll sein, etwa in Form von modularen Bausteinen, die einen schnellen und umweltfreundlichen Hausbau ermöglichen. Das Start-up TRIQBRIQ zeigt, wie das geht!
Hanf als Multitalent: Hanf findet Verwendung als Öl, Milchersatz und in der Textilherstellung. Um seinen Einsatz über die Nische hinaus zu fördern, müssen Landwirt:innen gezielt unterstützt werden.
Keynote: Die Wertschöpfungskette umdrehen – Stroh als Baustoff
Dr. Jan Grossarth, Professor für Bioökonomie und Ressourcen an der Hochschule Biberach, verdeutlicht in seiner Keynote die vielversprechenden Vorzüge von nachwachsender Biomasse als Baustoff. „In Deutschland werden etwa 57 Prozent des verarbeiteten Holzes stofflich genutzt, aber nur drei Prozent der agrarischen Rohstoffe, die fast ausschließlich für Nahrungsmittel, Futtermittel oder Energie verwendet werden. Hier liegt ein beträchtliches, bisher kaum ausgeschöpftes Potenzial.“
Die Bauwirtschaft kämpft laut Grossarth mit einem CO2-Problem, da sie etwa 40 Prozent der globalen Emissionen verursacht. Daher sei ein Umdenken und verstärktes Interesse an alternativen Baustoffen dringend geboten – zum Beispiel an Stroh: „Bei Lebenszyklusanalysen und ökologischen Bilanzen schneidet Stroh positiv ab. Aufgrund seiner hohen Wärmespeicherkapazität eignet es sich, in Wänden oder im Tragwerk verbaut, hervorragend zur Isolierung. Zudem ist Stroh in Europa in erheblichen Mengen verfügbar, bislang ist die Nachfrage allerdings sehr überschaubar.“
Akzeptanz und Verbreitung von Stroh als Baustoff hingen letztlich von den handelnden Akteuren ab: Welche Werte, ästhetischen Vorlieben und atmosphärischen Präferenzen haben Bauherren? Wie offen wird sich die Baubranche zeigen, die traditionell eher auf Präzision und Normierung setzt als auf Kreativität und Innovation? „Gewisse Vorbehalte erschweren die Sensibilisierung für den Baustoff Stroh und einen grundlegenden Wandel. Hier besteht deutlicher Handlungsbedarf in der Kommunikation”, resümiert Grossarth.
Start-up-Pitch: Wie TRIQBRIQ mit dem Lego-Prinzip Ressourcen schont
Anschließend spricht Lewin Fricke, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit beim Tübinger Start-up TRIQBRIQ, über den bahnbrechenden Ansatz seines Unternehmens in der Kreislaufwirtschaft. TRIQBRIQ setzt auf ein innovatives Massivholz-Bausystem, das aus modularen Holzbausteinen besteht. „Vier von fünf Bäumen in deutschen Wäldern sind krank, was große Mengen an Schadholz und Schwachholz erzeugt. Wir nutzen dieses heimische Holz, um unsere BRIQS ressourcenschonend herzustellen.“
Die BRIQs werden hochpräzise mit Robotertechnik gefertigt, später auf der Baustelle aufeinander gesteckt und über Buchenholzdübel miteinander verriegelt. „Wir führen Schulungen mit den Mitarbeitern der Bauunternehmen durch. In der Regel verstehen sie das Prinzip schnell und der Bau kommt zügig voran“, erklärt Fricke. Ein einzigartiger Vorteil ist, dass die BRIQs nach der Nutzungsphase entnommen und vollständig wiederverwendet werden können. „Unser System wird ohne Lehm oder Chemie verbaut und ist sortenrein rück- und wiederaufbaubar.“
Zum Schluss präsentiert Fricke noch ein Highlight: „Aktuell laufen die Arbeiten an einem 1.100 Quadratmeter großen EDEKA-Supermarkt in Braunschweig, der komplett mit unseren BRIQs errichtet wird. Dabei lagern wir 235.000 Kilogramm CO2 in den Wänden ein.“ Die Vision von TRIQBRIQ zeigt, wie innovative Ansätze die Baubranche revolutionieren können – hin zu mehr Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz. „Vor dem Hintergrund, dass die Bauwirtschaft in Deutschland 60 Prozent des Abfallaufkommens verursacht, sind wir froh, mit unseren BRIQs einen Teil zu einer nachhaltigeren Zukunft beizutragen.“
Panel-Diskussion: Kreislaufwirtschaft – Nutzung land- und forstwirtschaftlicher Biomasse
Im abschließenden Panel beleuchten Expert:innen die Chancen und Herausforderungen der kreiswirtschaftlichen Nutzung von Biomasse aus der Land- und Forstwirtschaft. Annkathrin Wahbi, Innovation Manager bei der Rootcamp GmbH, spürt ungenutzten Potenzialen verschiedener Gewächse nach: „Bei unseren Projekten führen wir Wertschöpfungsketten- und Gap-Analysen durch, um neue oder wieder relevante Verwendungen für Pflanzen zu identifizieren. Besonders spannend finde ich derzeit den Nutzhanf, der vielseitig einsetzbar ist, etwa als Öl, Milchersatz und in der Textilherstellung. Landwirt:innen, die Hanf anbauen, sollten gezielt gefördert werden, um den Schritt aus der Nische zu meistern.“
Dr. Petra Meyer-Ziegenfuß, Referatsleiterin Abfallrecht, Produktverantwortung und Abfallwirtschaftsplanung im Hessischen Landwirtschaftsministerium, pflichtet Wahbi bei: „Es ist genau der richtige Ansatz, sich über eine facettenreichere Nutzung von Pflanzen Gedanken zu machen. Wird ein Produkt zu großen Teilen verwendet, sinkt die Abfallmenge. Stroh als Baustoff fand ich ein tolles Beispiel.“ Mit Hochschulen und Praxisakteuren wünsche sich Meyer-Ziegenfuß einen intensiven Austausch: „Überzeugt uns eine Idee, setzen wir als Ministerium alles daran, optimale Bedingungen zu schaffen.“
Dr. Wilhelm Klümper, Themenmanager „Landnutzung in der Bioökonomie“ beim Thinktank Agora Agrar, spricht sich für eine stärkere Nutzung von Reststoffen zur Biogaserzeugung aus. „Wir haben ein großes ungenutztes Potenzial bei reststoffbasiertem Biogas.“ Obwohl Deutschland bereits führend in der Biogasproduktion ist, plädiert er für einen weiteren Ausbau von Biogasanlagen, „denn ökologisch gewonnenes Gas spielt eine maßgebliche Rolle bei der Transformation hin zur Klimaneutralität“.
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„Als Vertreterin des Mikolaiv Water Hub in der Ukraine nehme ich erstmals an einer Veranstaltung des TechQuartiers in Frankfurt teil. Das Ökosystem hier beeindruckt mich sehr, mit seiner Vielzahl an Experten, Regierungsvertretern und Investoren. Inhaltlich haben mich die Vorträge zur Kreislaufwirtschaft am meisten interessiert. Die gewonnen Erkenntnisse möchte ich in meiner Heimat gewinnbringend anwenden. Neuer Input unterstützt uns dabei, Konzepte zu entwickeln oder zu verbessern, mit denen wir unsere Ressourcen effizienter nutzen und ökologische Vorteile erzielen können. Gerade in der aktuellen Energiekrise in der Ukraine zeigt sich die Bedeutung eines solchen internationalen Austauschs.“
Olga Trofimtseva, Agrifood Team Lead, Mykolaiv Water Hub
Über den Growth Alliance Networking Summit
Im Jahr 2023 startete das Event als Bestandteil der Growth Alliance, einer gemeinsamen Initiative von Rentenbank und TechQuartier im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Ziel der Growth Alliance ist es, in Zeiten des klimatischen, ökologischen und gesellschaftlichen Wandels die Innovationskraft der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft zu stärken. Hierzu werden Gründer:innen zur Weiterentwicklung ihrer Geschäftsmodelle mit Expert:innen aus Wirtschaft und Wissenschaft, Investor:innen und weiteren relevanten Akteur:innen zusammengebracht.
Neben Vorträgen, Start-up-Pitches und Panels zu den Themen „Pflanzliche Proteine“, „Kreislaufwirtschaft“, „Biodiversität“ und „Next Gen AgriFood“ erlebten die Gäste des GANS 2024 auch Reverse-Pitches, bei denen Investoren ihr Profil und ihre Förderschwerpunkte vorstellten. Zudem fand das Finale des Demo Days sowie eine Preisverleihung zum begleitenden Start-up-Boot-Camp der Growth Alliance statt.