Alternative Proteine – und ihre Auswirkungen auf die Landwirtschaft
GANS25
DATUM
02.07.2025
AUTHORIN
My-Linh Pham
KATEGORIE
News
Inspirierende Vorträge hören, das Netzwerk stärken und praktische Lösungsansätze für eine zukunftsorientierte Land- und Ernährungswirtschaft diskutieren: Genau das taten die Besucher:innen des diesjährigen Growth Alliance Networking Summit 2025, kurz GANS25, am 8. Mai in Frankfurt am Main. Spannende Fokusthemen erlaubten wieder den Blick in die Tiefe, so auch im Bereich „Alternative Proteine“, wo zwei Kernthemen beleuchtet wurden.
Fleischfreie Alternativprodukte sind aus deutschen Supermärkten nicht mehr wegzudenken. Für deren Herstellung werden sogenannte „Inputs“ als Basis für z. B. Fermentationsprozesse, für pflanzliche Fleischalternativen oder für kultiviertes Fleisch benötigt. Das können Zucker, Stärke, landwirtschaftliche Abfälle, Biomasse oder auch Nebenprodukte aus der Lebensmittelindustrie sein. Die entstehenden Produkte bieten natürlich eine Alternative zu tierischem Protein – mit möglichen Auswirkungen für tierhaltende Betriebe und von Tierhaltung geprägte ländliche Strukturen. Die zwei Kernfragen, denen sich die Teilnehmenden des GANS25 in der von top agrar-Redakteurin Eva Piepenbrock moderierten Veranstaltung stellten, lauteten daher:
Inwieweit ist die Produktion von Inputs zur Herstellung alternativer Proteine relevant für die deutsche Landwirtschaft?
Und stellt die Produktion von alternativen Proteinen eventuell eine Gefahr für ländliche Strukturen dar?
Keynote: Ivo Rzegotta, The Good Food Institute, über Chancen für die Landwirtschaft
In das Thema führte als Keynote-Speaker Ivo Rzegotta von The Good Food Institute, einer gemeinnützigen, globalen NGO. Seine Erfahrungen zeigen, dass das Thema „Alternatives Protein“ immer größere Aufmerksamkeit erfährt. Sein Schlussfazit nahm er bereits vorweg: „Noch gibt es keinen Beweis dafür, wie der Einfluss von alternativem Protein auf die Landwirtschaft aussieht, wir stehen erst am Anfang“, berichtete der Experte. Er möchte daher lieber von „Möglichkeiten für die Landwirtschaft“ sprechen.
Alternative Proteine adressieren laut Rzegotta Themen wie den Klimawandel, Lebensmittelsicherheit, Tierwohl oder auch Gesundheitsrisiken wie Antibiotikaresistenzen oder Zoonosen. „Wir sehen aber auch, dass die Diskussionen für eine lange Zeit Landwirte nicht involvierten“, gab er zu bedenken. Die „fancy Start-up-Szene“ sei immer weit weg gewesen von den Landwirten, doch genau das ändere sich nun: Firmen und Start-ups würden sich öffnen für Gespräche.
Er zeigte den Zuhörenden Möglichkeiten auf, wie Farmer vom Trend der Proteine profitieren können: Neben neuen Märkten im Pflanzenbau über Einkommensdiversifizerung und die Nutzung landwirtschaftlicher Nebenprodukte bis zur effizienten Landnutzung: Die Möglichkeiten sind vielfältig. Auch die Umwelt profitiere von den für Fleischalternativen angebauten Kulturen wie Bohnen, Erbsen oder Weizen: Die Bodengesundheit wird durch Leguminosen verbessert und vielfältigere Fruchtfolgen erhöhen die Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten und Schädlinge. Inwiefern Landwirte auch neben dem klassischen Anbau von den sogenannten „Sidestreams“, also anfallenden Nebenprodukten, die zum Beispiel fermentiert werden, profitieren können, bleibe abzuwarten und benötige weitere Forschung – gleiches gelte für künstlich hergestelltes Fleisch.
„Wir haben uns gefragt, wie sehen Hürden für Landwirte aus?“, erzählte Rzegotta weiter und berichtet von Gesprächen mit Landwirten: Die Nachfrage sei zu ungewiss, genau wie der mögliche Verdienst. Auch das Know-how im Umgang mit den Kulturen spiele eine Rolle, zudem sei der Druck durch günstige, im Ausland produzierte Ware hoch, beispielsweise aus China. „Politische Entscheidungsträger spielen außerdem eine große Rolle“, so der Experte weiter, beispielsweise um regionale Wertschöpfungsketten aufzubauen.
Start-up Insight mit Jonathan Roberz: MicroHarvest
Mit seiner ganz persönlichen Motivation für nachhaltige Ernährungssysteme startete Jonathan Roberz: „Ich möchte, dass meine Kinder sich wie ich an einem blauen Planeten erfreuen können.“ Auch aus diesem Grund gründete er seine Firma, denn tierische Proteine seien für einen Großteil der durch den Nahrungsmittelsektor produzierten Treibhausgase verantwortlich. „Wir haben MicroHarvest gegründet und das schnellste Protein-Produktionssystem gebaut“, erzählte er stolz.
Genutzt werden dabei Nebenprodukte aus der Landwirtschaft und Mikroorganismen. Dank dieser zwei Komponenten entsteht hochwertiges Protein in Pulverform. „Smaller, better, faster“, lautet das Motto der Firma: Ein reduzierter Umwelteinfluss, bessere Zutaten und eine schnellere Produktion. „Der Geschmack wird in Zukunft eine sehr wichtige Rolle spielen“, gab der Firmengründer preis. Eine Tonne pro Tag kann MicroHarvest derzeit produzieren – dies entspricht laut Roberz 3.000 Hühnern. „Wir haben bereits also eine Auswirkung, doch der nächste Schritt ist der Ausbau unserer Produktion zu einem wesentlich größeren Ausmaß“, erklärte er.
Panel-Diskussion mit Vertretern aus Landwirtschaft und Start-up-Szene
Die Besucher des GANS25 durften sich im Anschluss über einen spannenden Paneltalk freuen, moderiert von Fabio Ziemssen, Partner von ZINTINUS und Vice Chairman of the board vom Verband für Alternative Proteinquellen e.V. BalPro. Der Diskussion stellten sich neben Jonathan Roberz, Albert Hortmann-Scholten von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Dr. Alexandra Molitor von KWS SAAT und Clément Tischer von der REWE Group. Miteinander in den Dialog zu kommen, sei laut Ziemssen sehr wichtig, damit die Entwicklung alternativer Proteine nicht ins Leere läuft.
Klare Standpunkte der Teilnehmer
Er bat die Teilnehmer der Diskussion um ihre Einschätzung, wie eine nachhaltige Entwicklung im Bereich alternativer Proteine stattfinden kann. Albert Hortmann-Scholten brachte mit viel Praxiserfahrung im Gepäck einen ökonomischen Blick auf das Thema mit: Niedersachsen produziere fast 25 % der deutschen Produkte Milch und Fleisch sowie 30 % des Schweinefleisches, so der Experte. Er müsse für die landwirtschaftliche Praxis vorausschauen, was die Zukunft bringt. „Was soll ich meinen Landwirten empfehlen? Was sollen sie in Zukunft produzieren?“, fragte er in die Runde. Über 20 verschiedene Pflanzen werden von KWS gezüchtet, berichtet Dr. Alexandra Molitor, unter anderem auch Erbsen. „Aber wir können noch viel mehr“, stellt sie klar. Auch bei Proteinpflanzen gehe es darum, neue Sorten zu züchten, angepasst an die Herausforderungen des Marktes. Roberz betonte dabei das große Ganze: „Wir müssen mehr Pflanzen anbauen, die Pflanzen erzeugen Nebenprodukte, aus denen wir ebenfalls Produkte gewinnen müssen“, erklärte er, „wir brauchen Landwirte und wir brauchen neue Technologien.“ Tischer auf Seiten des Lebensmitteleinzelhandels beobachtet die Entwicklung vieler interessanter Technologien bzw. Produkte und möchte sie dem Endkunden zugänglich machen. „Wir wollen nichts diskriminieren, sei es alternatives Protein oder tierisches Protein“, stellte er klar. Es brauche ein nachhaltiges System für beides, so sein Standpunkt.
Die Sicht der Landwirte
Doch wie sieht die Perspektive der Landwirte aus? „Ich denke, Landwirte sind offen und suchen immer nach neuen ökonomischen Möglichkeiten, insbesondere da die wirtschaftliche Lage der letzten zehn Jahre nicht gut war“, berichtete Hortmann-Scholten aus seinem Joballtag. „Wir verlieren jedes Jahr fünf Prozent der Höfe, besonders im tierhaltenden Bereich. Viele unserer jungen Landwirte haben Agrarwissenschaften studiert und suchen nach Chancen.“ Die größte Hürde für Landwirte, die in den Markt der alternativen Proteine einsteigen wollen, sieht er in den geringen Erlösen. Unterstützt wurde er dabei von Molitor, die klarstellte, dass Landwirte am Ende auch Geld verdienen müssten. Auch seien Proteinpflanzen schwieriger in der Kulturführung. So investiere auch KWS nur in Pflanzen, die nachgefragt werden. „Ich brauche jemanden, der etwas daraus macht, der sagt: ‚Ja, wir wollen Erbsen, wir machen ein tolles Produkt daraus.‘“ Nur dann könne man das passende Ausgangsmaterial bereitstellen und anbauen.
Was schmeckt dem Kunden?
„Am Ende entscheidet der Konsument“, ist sich Tischer zur Zukunft der alternativen Proteinprodukte sicher – unabhängig davon, woraus sie bestehen. „Wenn das Produkt gut ist und überzeugend, dann wird es sich auf dem Markt etablieren.“ Er rief dazu auf, die Konsumentenperspektive nicht zu vergessen. Auf die richtigen Zutaten und den Geschmack achtet auch Roberz mit seinem Unternehmen – ein Produkt mit zu vielen Zutaten, dass dann vielleicht nach Fleisch aussieht, aber noch nicht mal danach schmeckt, würde natürlich nicht akzeptiert werden.
Synergien nutzen – auch für hybride Produkte
Molitor brachte den Begriff der Synergien ins Spiel – warum nicht hybride Produkte entwickeln aus Fleisch und alternativem Protein und so den CO2-Fußabdruck reduzieren? „Ich glaube nicht, dass es die eine Lösung gibt. Aber man könnte Dinge zusammenbringen, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen“, erklärte sie. Ein Vorschlag, der in der Runde lebhaft diskutiert wurde. Das nächste Problem bei gemischten Produkten sei nämlich das Label, gab Roberz zu bedenken. Auch die politische Ebene müsste diesen Weg mitgehen und ermöglichen. Und würden die Kunden dieses Produkt akzeptieren? „Man müsste ein gutes Timing finden, um hybride Produkte einzuführen“, erklärte Tischer. Er berichtete von einem Test, bei dem die Kundenakzeptanz nicht gut ausfiel. Diese zu überzeugen und die Produkte richtig zu platzieren, sei nicht einfach und müsse weiter diskutiert werden.
Letzte Frage: Was braucht es für die Zukunft alternativer Proteine?
Und was wünschen sich die Teilnehmer nun für die Zukunft alternativer Proteine in Deutschland? Regulatorische Hürden müssten ausgeräumt werden, ist Tischer sich sicher. „Wir würden die Produkte liebend gern zum Endkunden bringen, aber dafür müssen wir diese Hürden abbauen“, erklärt er. Roberz sieht den Markt der europäischen Proteine als große Chance für Europa, die Amerikaner seien hier vier Jahre hinterher. „Wir haben die Chance, die Dinge jetzt in Bewegung zu bringen“, stellt er klar. „Wir müssen außerdem an den Endkunden und seine Bedürfnisse denken und die richtigen Produkte liefern“, so Molitor zur letzten Frage in der Runde. Dafür müssten alle Beteiligten zusammenarbeiten. Albert Hortmann-Scholten wünscht sich mehr Weiterbildung und Information – auch auf der Landwirteseite. „Die Ökonomie macht danach dann die Regeln“, ist er sicher.
Links zu den Keynotes:
Hier geht es zur spannenden Keynote von Ivo Rzegotta von The Good Food Institute über Chancen für die Landwirtschaft im Bereich alternativer Proteine:
Einen spannenden Einblick in sein Start-up MicroHarvest ermöglichte Jonathan Roberz.
Über Politik, Synergien und regulatorische Hürden im Bereich alternativer Proteine sprachen die Teilnehmenden unseres Panel-Talks, hier zum Nachschauen:
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