Mit innovativen Ideen den Reichtum an Pflanzen und Tieren bewahren
Growth Alliance Networking Summit (GANS) - Keynote Teil 3
DATUM
08.04.2025
AUTHORIN
My-Linh Pham
KATEGORIE
News
Die Bedeutung der Artenvielfalt kann nicht genug betont werden. Eine hohe Biodiversität sichert funktionierende Ökosysteme und trägt zur Stabilität unseres Planeten bei. Doch seit Jahren erleben wir einen besorgniserregenden Verlust von Tier- und Pflanzenarten. Fehlende Rückzugsorte für Wildtiere, Flächenversiegelung und intensive Landbewirtschaftung sind die Hauptursachen. Der dritte Schwerpunkt des GANS widmete sich daher innovativen Ansätzen, die Natur zu schützen und gleichzeitig eine rentable Landwirtschaft zu ermöglichen.
Die Speaker:innen nahmen die Teilnehmenden des GANS mit auf eine augenöffnende Reise. Dr. Frauke Fischer von der Universität Würzburg legte alarmierende Fakten zum Artensterben dar, während Lara Boye von Artenglück schilderte, wie sie Unternehmen für Biodiversitätsprojekte begeistert. In einem abschließenden Panel diskutierten Jürgen Maurer vom Landesbauernverband Baden-Württemberg, Michael Berger vom WWF, Andrea Schwalber von Nestlé und Dr. Thomas Meier vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, wie eine Agrikultur entstehen kann, die Naturschutz und Profitabilität vereint.
Einen inhaltlichen Vorgeschmack bieten diese drei Insights:
Massives Artensterben: Jeden Tag sterben weltweit etwa 150 Pflanzen- und Tierarten aus. Wenn wir diese Entwicklung nicht stoppen, werden die Konsequenzen für Tier, Mensch und Wirtschaft dramatisch sein.
Präzise CSR-Berichterstattung möglich: Das Start-up Artenglück bietet Biodiversitätsprojekte für Unternehmen an. Teil der Projekte: Monitorings mit Luft- und Bodenproben sowie KI-Analysen. So können die Effekte des Engagements in der Außenkommunikation belegt werden.
Bessere Aufklärung notwendig: Die Verbraucher:innen erkennen den Zusammenhang zwischen den Prozessen in der Lebensmittelindustrie und den Risiken für die biologische Vielfalt noch nicht. Der Verein Food for Biodiversity möchte hier Aufklärungsarbeit leisten.
Keynote: Beyond the obvious – Warum wir über Biodiversität sprechen
Dr. Frauke Fischer, Dozentin am Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie an der Universität Würzburg, überrascht bei ihrem Vortrag mit einer unerwarteten Frage: „Was hat die Mücke je für uns getan?“ Ratlose Gesichter im Publikum. Die Antwort: „Ohne Mücken keine Schokolade. Zwei Arten von Bartmücken sind die wichtigsten Bestäuber von Kakao.“ Dies verdeutlicht, dass selbst Tiere, die uns als lästig erscheinen, eine wesentliche Rolle in unserem Ökosystem spielen. Wir sollten also keine Arten als weniger schützenswert betrachten.
2003 gründete Fischer mit „Augen auf!“ Deutschlands erste Beratungsagentur mit dem Schwerpunkt Biodiversität. Die Wahrnehmung des Themas habe sich seitdem stark verändert: „Damals waren Unternehmen der Meinung, dass sich Staat und Naturschutzorganisationen allein um den Erhalt der Arten kümmern sollten. Heute können wir uns vor Aufträgen kaum retten.“ Firmen erkannten mittlerweile, dass der Artenschutz nicht nur eine ökologische, sondern auch eine ökonomische Notwendigkeit sei. „Ab 2030 könnten weltweit durch den Verlust von natürlichen Leistungen wie Bestäubung, Bodenfruchtbarkeit oder Wasserreinigung jährlich Kosten von mehr als 2,7 Billionen Dollar entstehen“, blickt Fischer voraus. Das entspräche einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von 2,3 Prozent.
Mit eindrucksvollen Daten unterstreicht die Wissenschaftlerin, warum es keine Alternative zum Artenschutz gibt: Jeden Tag sterben etwa 150 Pflanzen- und Tierarten unwiederbringlich aus. Wegen erheblicher menschlicher Eingriffe sind nur noch 2 bis 3 Prozent echte Wildnis übrig. Der Schaden an der Natur wird zu einem großen Teil durch Landnutzungsänderungen, Überfischung und Entwaldung vorangetrieben. „Daher ist unter anderem in diesen Wirtschaftszweigen ein Umdenken gefordert, um die verbliebenen natürlichen Lebensräume zu bewahren“, so Fischer.
Start-up-Pitch: Artenglück – Unternehmen das Thema Biodiversität schmackhaft machen
Um die lokale Biodiversität zu fördern, gründeten Lara Boye und Felix Schulze-Varnholt im Jahr 2020 Artenglück. Ihren Ansatz nennen sie „Naturschutz as a Service“. Er ermöglicht es Unternehmen, eigene Naturschutzprojekte innerhalb von 30 Kilometern um einen Wunschstandort durchzuführen. Boye erklärt: „Gemeinsam mit Land- und Forstwirten, Naturschützern und Forschern verwirklichen wir maßgeschneiderte, transparente Maßnahmen in den Bereichen ‚Blühfelder‘, ‚Feldvogelschutz‘ und ‚Waldaufforstung‘.“
Die Blühfelder werden auf ertragsschwachen Böden angelegt, sodass sie nicht mit der Lebensmittelproduktion konkurrieren. Sie fördern Bestäuberinsekten und verbessern die Bodenqualität. Im Bereich des Feldvogelschutzes konzentriert sich Artenglück auf gefährdete Arten wie die Feldlerche. „In Getreidefeldern schaffen wir 40 Quadratmeter große Lücken, die den Vögeln als Start- und Landebahnen dienen und sichere Nistplätze sowie reichhaltige Nahrungsquellen bieten“, erläutert Boye.
Zusätzlich zu den Naturschutzmaßnahmen können Unternehmen Teamevents buchen. „Wir haben bereits über 1.500 Menschen auf die Felder gebracht. Darunter auch viele Teilnehmer aus städtischen Gebieten, die oft zum ersten Mal ein landwirtschaftliches Feld betreten haben. Durch Tätigkeiten, wie das manuelle Aussäen, verstehen die Teilnehmer die Zusammenhänge der Natur besser und gleichzeitig wird der Teamgeist gefördert“, so Boye. Begleitend zu den Projekten werden Luft- und Bodenproben genommen sowie Wasseranalysen durchgeführt. Zudem erfassen Infrarotsensoren die Flügelbewegungen von Insekten, die anschließend eine KI analysiert. Unternehmen können die gesammelten Daten für ihre CSRD-Berichte nutzen.
Panel-Diskussion: Zwischen Naturschutz und Produktivität – Aktuelle Perspektiven für eine zukunftsfähige Landwirtschaft
Das abschließende Panel liefert spannende Einblicke in die Herausforderungen beim Schutz der biologischen Vielfalt. Andrea Schwalber, Sustainability Managerin bei Nestlé Deutschland, betont die Relevanz des Themas in ihrem Unternehmen. „Ein Beispiel dafür ist unser Engagement im Verein Food for Biodiversity. Besonders hervorzuheben, ist die Vielfalt der beteiligten Akteure: Mit dabei sind Hersteller, Händler, Verbände, Umwelt- und Zertifizierungsorganisationen.“ Ziel sei es, durch gemeinsame Qualitätskriterien und Schulungen entlang der Lieferkette die biologische Vielfalt zu schützen und Verbraucher besser aufzuklären. „Die Konsumenten erkennen den Zusammenhang zwischen den Prozessen in der Lebensmittelindustrie und den Risiken für die Biodiversität noch nicht klar genug“, sagt Schwalber.
Michael Berger, Referent für nachhaltige Landwirtschaft beim WWF Deutschland, kritisiert das aktuelle Ernährungssystem: „Der Druck, im Sinne des Marktes und der Konsumenten möglichst viel zu niedrigen Preisen zu produzieren, steht oft im Konflikt mit dem Schutz der Biodiversität, denn Artenschutz kostet Geld.“ Jürgen Maurer, Vizepräsident des Landesbauernverbands in Baden-Württemberg, stimmt ihm zu: „Es ist nicht nur ein Problem der Landwirtschaft, sondern ein gesellschaftliches Verhaltensproblem. Wir produzieren, was nachgefragt wird, denn wir wollen und müssen wirtschaftlich arbeiten.“
Maurer ist Teilnehmer des F.R.A.N.Z.-Projekts (Für Ressourcen, Agrarwirtschaft & Naturschutz mit Zukunft) von der Umweltstiftung Michael Otto und dem Deutschen Bauernverband. Er erprobt Maßnahmen, die dem Naturschutz dienen und gleichzeitig wirtschaftlich tragfähig sein sollen. Im Rahmen des Projekts hat er auf seinem Betrieb in Wiernsheim-Iptingen etwa Brachen und Erbsenfenster angelegt, die Feldhasen und Feldvögeln als Refugium und Brutplatz dienen.
Das F.R.A.N.Z.-Projekt wird wissenschaftlich begleitet. Darauf komme es laut Dr. Thomas Meier, Referatsleiter für Biologische Vielfalt, Naturschutz und Agrarumweltmaßnahmen beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, auch an: „Eine zuverlässige, präzise Messung der Auswirkungen ist entscheidend, um Landwirte zukünftig für ähnliche Projekte zu gewinnen. Sie müssen erkennen können, welchen Beitrag sie zur Förderung der Biodiversität leisten.“
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„Ich bin einer der Gründer von PlantShields. Wir entwickeln ein natürliches Mittel, das Pflanzen vor Pilzkrankheiten schützt. Die Vorträge zur Biodiversität mit ihren eindringlichen Fakten haben uns darin bestärkt, unseren Ansatz weiter zu verfolgen: Nutzpflanzen zu schützen, ohne Ökosysteme zu belasten. Unsere Wirkstoffe gewinnen wir als Nebenprodukt, weshalb der Vortrag zur Kreislaufwirtschaft für uns ebenfalls sehr spannend war. Heute haben wir allerdings nicht nur viel gelernt, sondern auch interessante Menschen getroffen. Die Teilnahme am GANS und am Boot Camp der Growth Alliance war ein großer Gewinn für uns.“
Jens Maintz, Co-Founder, PlantShield
Über den Growth Alliance Networking Summit
Im Jahr 2023 startete das Event als Bestandteil der Growth Alliance, einer gemeinsamen Initiative von Rentenbank und TechQuartier im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Ziel der Growth Alliance ist es, in Zeiten des klimatischen, ökologischen und gesellschaftlichen Wandels die Innovationskraft der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft zu stärken. Hierzu werden Gründer:innen zur Weiterentwicklung ihrer Geschäftsmodelle mit Expert:innen aus Wirtschaft und Wissenschaft, Investor:innen und weiteren relevanten Akteur:innen zusammengebracht.
Neben Vorträgen, Start-up-Pitches und Panels zu den Themen „Pflanzliche Proteine“, „Kreislaufwirtschaft“, „Biodiversität“ und „Next Gen AgriFood“ erlebten die Gäste des GANS 2024 auch Reverse-Pitches, bei denen Investoren ihr Profil und ihre Förderschwerpunkte vorstellten. Zudem fand das Finale des Demo Days sowie eine Preisverleihung zum begleitenden Start-up-Boot-Camp der Growth Alliance statt.
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